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Intervenieren Schachschiedsrichter zu viel?

Intervenieren Schachschiedsrichter zu viel?

Gserper
| 61 | Bemerkenswerte Partien

Wie wir bereits im letzten Artikel besprochen haben, lieben die Leute Schach aus einer Vielzahl von Gründen. Unser Lieblingsspiel ist gleichzeitig Sport, Kunst, Wissenschaft, Kampf und vieles mehr!

Den Hauptgrund, warum ich Schach so gerne mag, hat der große Emanuel Lasker gut beschrieben: "Auf dem Schachbrett überleben Lügen und Heuchelei nicht lange."

Erinnert Ihr Euch an die einleitenden Worte des Filmes König der Löwen?

Ja, wir alle erfahren schon als Kinder, dass das Leben leider nicht fair ist. Schach hingegen war für mich in dieser unfairen Welt wie ein Hauch frischer Luft. Es ist egal, ob Dein Gegner größer, stärker, oder reicher ist als Du. Wenn man besser Schach spielt, gewinnen man! Zumindest habe ich das gedacht, als ich gerade mit dem Schach angefangen habe. Leider trat dann aber eine dritte Person langsam aber sicher auf die Bühne und überschattete den Kampf zwischen den beiden Spielern. Ich spreche von Schachschiedsrichtern.

Wie in den meistern Sportarten gilt auch im Schach, dass der beste Schiedsrichter der ist, der man während eines ganzen Turniers nicht sieht. Wenn die Spieler nach einem solchen Turnier nicht einmal wissen, wer der Hauptschiedsrichter war, bedeutet das, dass es während der gesamten Veranstaltung zu keinem unangenehmen Zwischenfall oder Konflikt gekommen ist. Doch heutzutage sind die Zeiten vorbei, in denen die Schiedsrichter ihr Bestes gaben, um sicherzustellen, dass das Schachspektakel nicht unterbrochen wird.

Spassky vs Fischer in the 1972 world championship. Photo via  via nsarchive.
Spassky gegen Fischer bei der Schachweltmeisterschaft 1972. Foto via nsarchive.

Erinnert Ihr Euch an den Beginn der berühmten Schachweltmeisterschaft 1972 zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer?

Fischer brachte sich mit seinen ständigen Forderungen in eine schwierige Position, in der die Schiedsrichter, insbesondere nachdem Fischer zur zweiten Partie nicht erschienen war, die WM einfach abbrechen und Spassky zum Sieger erklären hätten können. Ja, sie hätten zwar die Regeln befolgt, aber die Schachwelt wäre um eines der interessantesten Ereignisse in der gesamten Schachgeschichte beraubt worden. Deshalb sollten wir dem FIDE-Präsidenten Max Euwe dafür danken, dass er die Weltmeisterschaft gerettet hat.

Es war dann die dramatische Entscheidung eines anderen FIDE-Präsidenten, Florencio Campomanes, die einen sehr gefährlichen Trend auslöste. Als Campomanes 1984/85 das Weltmeisterschaftsspiel zwischen Anatoly Karpov und Garry Kasparov stoppte, brachte Campomanes seine Sorge um die Gesundheit beider Spieler zum Ausdruck, da sie bereits seit einem halben Jahr spielen. Beide Spieler prangerten diese Entscheidung sofort an und bekundeten ihre Bereitschaft, das Duell fortzusetzen. Ohne Erfolg.

Ich werde aber jetzt nicht näher auf die Argumentation des FIDE-Präsidenten eingehen, da es damals einfach zu viele Variablen gab. Laut Wikipedia gibt es sogar Quellen, die behaupten, dass Campomanes ein KGB Agent war. So oder so, das Motto "Die Show muss weitergehen" bekam plötzlich in der Schachwelt den Zusatz: "Wenn wir es erlauben!"

Eine der größten Geschichten des FIDE Chess.com Grand Swiss Turniers war die Situation, als an zwei benachbarten Brettern 19 Züge lang eine identische Partie gespielt wurde. IM Daniel Rensch hat ein großartiges Video über diese Partien produziert:

Es war wirklich lustig, zu sehen, wie zwei Super-GMs die Fehler der anderen beiden kopierten, bis die Partien getrennte Wege gingen, da der Schiedsrichter beschlossen hatte, die Partie Alexei Shirov - Yu Yangyi in einen anderen Raum zu verlegen. Da der Hauptschiedsrichter des Turniers viel Erfahrung hat und die Regeln sehr gut kennt, frage ich mich heute nicht, ob diese Entscheidung legal war. Meine einzige Frage ist: Warum?

Mein Lieblingszahnarzt pflegte zu sagen, dass der beste Zahn derjenige ist, der noch nie von einem Zahnarzt berührt wurde. Jede ärztliche Intervention sollte nur erfolgen, wenn die Untätigkeit zu einem noch größeren Übel führen würde. Ich bin kein Experte für Medizin, aber ich kann Euch sagen, dass es im Schach absolut wahr ist. Jede Intervention des Schiedsrichters verändert den natürlichen Spielfluss.

Hier ist ein gutes Beispiel dafür:

Es ist keine Frage, dass der Schiedsrichter absolut richtig lag, Kasparov an seine Verpflichtung, die Züge aufzuschreiben, zu erinnern.

Garry Kasparov in 2017. Photo: Maria Emelianova / Chess.com
Garry Kasparov, 2017. Foto: Maria Emelianova / Chess.com.

Ich möchte nur Kasparovs Worte betonen: "Durch die übertrieben strikte Einhaltung der Regeln hätte Gijssen den Lauf der Schachgeschichte beinahe verändert."

Kommen wir zurück zum FIDE Chess.com Grand Swiss Turnier. Ich kann mich hier völlig irren, aber ich sehe einfach keinen Schaden darin, wenn die Zwillingspartien ununterbrochen fortgesetzt worden wären. Natürlich wäre es ein ganz anderer Fall gewesen, wenn einer der Spieler den Turnierdirektor ausdrücklich um ein Eingreifen gebeten hätte, aber meines Wissens hat sich keiner der 4 beteiligten Spieler beschwert.

Um zu beweisen, dass "das Gras in der Vergangenheit grüner war", möchte ich an eine sehr ähnliche Situation erinnern, die als "Die argentinische Tragödie" bekannt wurde.

So erinnert sich einer der Hauptteilnehmer der Geschichte, Efim Geller, in seinem Buch Application Of Chess Theory an diesen Vorfall:

In meiner Karriere sind mehrere Situationen aufgetreten, die unter dem Namen "Zwillingspartien" bekannt sind. Dies war zum Beispiel bei der 19. UdSSR-Meisterschaft der Fall, als Geller und Flohr bis zu einem gewissen Punkt eine identische Stellung wie Petrosian und Smyslov auf dem Brett hatten. In einer der Runden des Länderkampfes zwischen der UdSSR und Jugoslawien von 1956 kam es bei den Partien Geller gegen Karaklajic und Averbakh gegen Ivkov zu identischen Stellungen und beim internationalen Turnier in Budapest 1973 geschah das Gleiche bei Geller gegen Karpov und Hort gegen Hecht. Die hier vorliegende hat aber gleich zwei "Zwillingsbrüder": Keres gegen Najdorf und Spassky gegen Pilnik - ein einzigartiges Beispiel in der Geschichte des Schachs! Daher erhielt dieser Vorfall den Namen "Argentinische Tragödie".

Alle 3 Partien erreichten die folgende Stellung:

So erinnert sich Geller an diesen Moment:

Und hier geschah etwas Unerwartetes. Der Punkt war, dass Spassky und Keres zu diesem Zeitpunkt noch darüber nachdachten, ob sie den Springer auf e6 opfern sollten und ihre Gegner Pilnik und Najdorf beobachteten unsere Partie und diskutierten angeregt. Dann kam Najdorf auf mich zu, unterbrach meine Gedanken und erklärte: "Deine Partie ist verloren; wir haben sie schon analysiert!"

Zu diesem Zeitpunkt hatte Geller aber schon den Gewinnzug gesehen und sobald er ihn gespielt hatte, folgten Keres und Spassky seiner Variante.

Hier sind alle 3 Partien:

In seinem monumentalen Buch My Great Predecessors schrieb Kasparov in seinen Anmerkungen zur Partie Fischer-Tal 1959, dass es zu dieser Zeit üblich war, jede mit Anmerkungen versehene Partie einen Namen zu geben.

Ich mag diesen Ansatz, da er das Schachspiel bereichert. "Die Argentinische Tragödie", "Die Perle von Zandvoort", "Die unsterbliche Partie": Wäre nur eine dieser Partie nicht gespielt worden, dann wäre das Schach um eine illustre Geschichte ärmer. Auf der Isle of Man wurden wir gerade um eine solche Geschichte betrogen.

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