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Frank Marshall, Teil 2: Der Kampf um die Weltmeisterschaft

Frank Marshall, Teil 2: Der Kampf um die Weltmeisterschaft

Silman
| 22 | Andere

Der erste Teil der Serie über Frank Marshall endete mit seinem grandiosen Sieg des Cambridge Springs Turniers 1904. Danach fragte sich die Welt, ob er wirklich so gut war und Marshall, der furchtlose Kämpfer, sprang in die Schlacht.

1905

Marshall gegen Janowski, 2. Vergleich: 1905

Die beiden Spieler hatten sich bereits 1899 duelliert und Janowski gewann den ersten Vergleich mit 3:1. 1905 in London sollte sich Marshall, der jetzt viel stärker als 1899 war, revanchieren und den Vergleich gewinnen. Er gewann 8 Partien, verlor nur 5 und weitere 4 Partien endeten mit einem Remis.

Die beiden Spieler spielten übrigens um einen Preisfonds von $500. Das mag jetzt wenig erscheinen für 17 Partien, aber damals waren $500 so viel Wert wie heute $13.222,96. Hätte ein Spieler alle Partien gewonnen, hätte sich das Preisgeld verdoppelt.

frank marshall chess

Marshall via Wikipedia. 

Die erste Partie war auf und ab, wobei sich Marshall im Endspiel verteidigen musste. Janowski schob und drückte, Marshall konnte aber schließlich Ausgleich erlangen und im 60. Zug unterlief Janowski ein Fehler und er verlor die Partie. Das Endspiel ist ziemlich lehrreich:

Marshall gewann dann auch die zweite Partie. Diesmal mit den schwarzen Figuren, aber Janowski schlug in der 3. Partie zurück. In der 4. Partie vermasselte Marshall ein gewonnenes Endspiel und musste sich mit einem Remis zufriedengeben und in der 5. Partie glich Janowski aus. Bis hierhin glich das Duell also einer Schachversion des Computerspiels “Rock ‘Em Sock ‘Em Robots.”

Wenn ihr den ersten Teil auch gelesen habt, habt ihr vielleicht noch die beiden Partien in Erinnerung, bei denen Triple-Bauern auf dem Brett waren:

Die meisten Spieler sind ja keine großen Fans von Triple-Bauern, aber Marshall schien sie regelrecht forciert zu haben (oder er hat seine Gegner dazu verleitet, Triple-Bauern zu kreieren). Hier ist eine Stellung aus der 3. Partie, bei der wir schon wieder Triple-Bauern zu sehen bekommen:


Dies ist meine Lieblingspartie des Duells. Es gibt so viele Auf und Abs, dass mir schwindlig wurde! Es war eine spannende Schlacht, die begann, als Janowski 6...f6, 7...g5 und 8...g4 spielte (die Züge sehen wir Anfängerzüge aus, sind aber wirklich gut!), Janowski unterlief dann im 9. Zug ein Fehler, worauf Marshall einen mörderischen Angriff bekam. Darauf folgten brillante Züge und unglückliche Missgeschicke von beiden Spielern (in einer so komplexen Stellung kann man natürlich auch leicht Fehler machen). Marshalls Angriff führte dann zu einem vorteilhaften Endspiel, aber Marshall war wohl zu ausgepumpt um weitere 300 Züge lang nach einem Gewinn zu suchen und erlaubte Janowski ein Remis. Janowski verpfuschte aber die Remisvariante und Marshall gewann danach problemlos.

Ostende

Lassen wir das Duell eine Weile ruhen. In Ostende fand ein 14 Spieler Doppelrundenturnier statt. Maroczy gewann mit 19.5 Punkten. Janowski und Tarrasch teilten sich den zweiten Platz. Schlechter wurde Vierter und Marco und Teichmann geteilter Fünfter. Burn, Marshall und Leonhardt teilten sich vor Wolf, Alapin, Blackburne, Chigoin und Taubenhaus den siebten Platz.

Barmen Masters

Dies war ein weiteres, starkes Turnier für 16 Spieler und hier hat Marshall richtig gut gespielt Janowski und Maroczy teilten sich den ersten Platz vor dem drittplatzierten Marshall. Danach folgten Bernstein, Schlechter, Berger, Chigorin, Wolf, Leonhardt, usw.

Nürnberg

Frank Marshall gegen Siegbert Tarrasch

Das war ein hartes Duell! Siegbert Tarrasch und Frank Marshall spielten 17 Partien gegeneinander! Nachdem er schon Janowski besiegt hatte, war Marshall voller Selbstvertrauen und forderte Tarrasch heraus. Marshall bekam hier aber richtig eines auf den Deckel, denn er konnte nur eine Partie gewinnen (8 Remis und 8 Niederlagen). Es hatte den Anschein, als ob Marshall einem positionellen Spieler auf Weltklasse-Niveau nicht gewachsen war. Ein großes Problem waren aber Marshalls Eröffnungen, denn oft stand er schon nach der Eröffnung schlechter und wenn er mal nach der Eröffnung einen kleinen Vorteil hatte, konnte Tarrasch seine Stellung sehr schnell stabilisieren.

Marshall verlor die erste und fünte Partie (die anderen 3 endeten Remis) aber in der sechsten Partie schien er auf der Siegerstaße zu sein:

 

Nachdem er diese Chance weggeworfen hatte, sah die siebte Partie nach 17 Zügen nach einem langweiligen Remis aus. Immerhin durften sich die Fans von Triple-Bauern aber wieder freuen!

 

Ich denke, dass Marshall nach dieser Niederlage am Boden zerstört war

Marshall war aber immer noch auf dem aufsteigenden Ast, während Tarrasch bereits am Abbauen war. 1910-1928 konnte Marshall gegen Tarrasch fünfmal gewinnen während Tarrasch nur noch eine Partie gewann.

Siegbert Tarrasch ist 1934 gestorben.

1906

New York

Marshall spielte 4 Partien gegen Albert Fox und entschied das Duell klar für sich (3 Siege, 1 Remis).

 

Ostende

Dieses Turnierformat war einzigartig in der Geschichte. In der ersten von 4 Phasen spielten 36 Spieler. 24 davon qualifizierten sich für Phase 2. In der dritten Phase spielten noch 16 Spieler und schließlich spielten dann 9 Spieler das Finale. Als das Turnier zu Ende war, stand Carl Schlechter den Siegerpokal überreicht. Gaza Maroczy wurde Zweiter, Akiba Rubinstein Dritter und Marschall Siebter.

Da ich von dem ganzen Turnierformat nur Kopfschmerzen bekomme zeige ich von diesem Turnier nur Marshall’s Partie gegen Swiderski!

 

DSB Kongress

Ein weiterer Triumph für Marshall! 17 Spieler - 16 Partien - Er gewann 9 und remisierte 7! In einem Turnier ungeschlagen Erster zu werden ist der Traum eines jeden Schachspielers. Tarrasch wurde nur geteilter Neunter während Janowski das Turnier auf dem 16. Platz beendete!

Bei diesem Turnier gab es übrigens einige seltsame Regeln (wenn man das überhaupt als Regeln bezeichnen kann) bezüglich der Bedenkzeit:

"Wird eine Partie in der ersten Sitzung beendet (normalerweise von 9 Uhr bis 14 Uhr), ist keine Zeitverletzung aufgetreten. Wird das Spiel fortgesetzt, entscheidet der Turnierleiter nach Spielende, ob ein Spieler das Zeitlimit überschritten hat. Eine kleine Überschreitung - sagen wir 5 Minuten - hat keine Auswirkungen; eine beträchtliche Überschreitung verursacht eine Strafe von 1 Mark pro Minute. Ein Spieler, der das Turnier stört, indem er zu langsam spielt (d. h. eine Überschreitung von 30 Minuten), erhält ebenfalls eine Warnung. Drei Warnungen führen zum Ausschluss vom Turnier und der Spieler wird nicht erneut eingeladen. "

Wenn das nicht verrückt ist, dann ist nichts verrückt!

Hier ist eine Partie, die Marshall in Perfektion zeigt.

 


Den Rest der Partie sehen wir uns als Puzzle an.

PUZZLE 1

Marshall war in diesem Turnier einfach in einer großartigen Form und seine Fans waren verzückt. Aber sollte er auch die Weltmeisterschaft gewinnen können?

Die Weltmeisterschaft!

1907

Emanuel Lasker (38 Jahre) gegen Frank Marshall (29 Jahre)

Die Weltmeisterschaft!!!! Niemand konnte es erwarten. Marshall kam voller Selbstvertrauen zur WM, denn er hatte Lasker ja bereits 1900 in Paris besiegt. Auf der ganzen Welt wurde auf den Ausgang des Duells gewettet und Männer wie Frauen fielen beim Anblick der beiden Schachgötter in Ohnmacht.

Die Regeln:

  • Die Spieler einigten sich auf den Zeitraum vom 26. Jänner bis zum 8. April 1907.
  • Die Partien werden in New York, Philadelphia, Washington DC, Baltimore, Chicago und Memphis gespielt.
  • Remispartien zählen nicht. Wer als erster Spieler 8 Partien gewonnen hat ist Weltmeister. Eigentlich ziemlich einfach.

Sie beginnt! Die WM beginnt!

LET’S GET READY TO RUMMMMMBLLLE!!!!

boxing ring announcer

Arrrrghhh ... die amerikanischen Fans haben auf den Straßen geweint! Warum wurde Marshall vom Brett gefegt (Lasker hat ihn mit 8:0, bei 7 Remis, besiegt)? Nun, der folgende Leckerbissen könnte einiges davon erklären:

In Marshalls Autobiographie findet sich nur ein Satz über seinen WM-Kampf mit Lasker: "Langweiliges Spiel, das darauf abzielt, einen Gegner zu ermüden, ist nicht meine Natur."

Es gibt da aber vielleicht noch etwas, was die meisten nie wussten. Der Philadelphia Inquirer schrieb am 30. Dezember 1906 auf Seite 2:

"Frank Marshall teilte uns gerade schriftlich mit, dass er in ein Zugunglück [am 15. Dezember], welches in Donaldsonville, La, stattfand, verwickelt worden sei. Sein Zug, der mit hoher Geschwindigkeit fuhr, kollidierte mit einer herumliegenden Fracht auf den Gleisen. Mr. Marshall entkam dem Unglück mit einem Schock, einem verstauchten Knöchel und einer Schnittwunde am Kopf. Mr. Marshall entschied sich, angesichts seines Unfalls und des Nervenschocks, einige seiner Veranstaltungen im Süden abzusagen und kehrt sofort nach New York zurück. Es wird jedoch unwahrscheinlich, dass er zum WM-Kampf mit Dr. Lasker, der Mitte Jänner beginnen wird, nicht antreten wird."

Ich glaube, dass Marshall von dem Unfall immer noch (physisch oder emotional) betroffen und nicht in Bestform war. Aber seien wir ehrlich: Emanuel Lasker und (schließlich) Capablanca waren Lichtjahre vor allen anderen Spielern. Und Marshalls Traum, Weltmeister zu werden, blieb genau was es war: Ein Traum. Das bedeutet jedoch nicht, dass Marshall kein sehr starker Spieler war. Er zählte auf jeden Fall zu den Top 10 der Welt. Aber niemand konnte Lasker an diesem Punkt seiner Karriere das Wasser reichen.

Nachdem Lasker die erste Partie gewonnen hatte (eine komplizierte, technische und gefeierte Partie, die fast jeder gesehen hatte), gewann Lasker auch die zweite Partie:

In der dritten Partie wurde Marshall von Lasker völlig überspielt. Versucht, das tolle Ende der Partie selbst zu finden:

PUZZLE 2

Nachdem er Lasker 1900 geschlagen hatte, konnte Marshall nie mehr eine gewertete Partie gegen Lasker gewinnen. Wenn man die Remis nicht mitzählt, stehen 12 Siege für Lasker und nur ein Sieg für Marshall in den Geschichtsbüchern.

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