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Ein kurzer Blick auf den großen Michail Tschigorin
Ein Blick auf Gatchina, den Geburtsort Chigorins.

Ein kurzer Blick auf den großen Michail Tschigorin

Silman
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Der große russische Schachspieler Michail Tschigorin (geb. 1850, gest. 1908) wuchs ab seinem 10. Lebensjahr in einem Waisenhaus in Gattschina auf.

Hier ist ein kleiner Auszug davon, was ein Historiker über das Waisenhaus schrieb: „Die brutalen Aufseher unterwarfen die Kinder nur der Angst und der ständigen Bestrafung und erzeugten in ihnen auf diese Weise in einem sehr frühen Stadium ihres Lebens einen tiefen Hass auf ihre gesamte Umwelt und eine dauerhafte Trennung von der Gesellschaft. “(Quelle: Jimmy Adams, Mikhail Chigorin, The Creative Genius - weitere Informationen zu diesem Buch findet ihr weiter unten.)

Es ist klar, dass dies kein guter Start in sein Leben war (oder in das Leben von irgendjemanden). Dennoch wurde er einer der berühmtesten Schachspieler der Geschichte.

Mikhail Chigorin
Michail Tschigorin via Wikipedia. 

Tschigorin erlernte das Schachspiel im Alter von 16 Jahren, aber es dauerte bis ins Jahr 1874, dass er sich in das Spiel verliebte. Und wenn ich Liebe sage, dann meine ich wahre Liebe, denn Schach bedeutete ihm alles! Um sein ganzes Leben Caissa widmen zu können, brach er sogar eine Ausbildung zum Regierungsbeamten ab.

1876 gründete er ein Schachmagazin und spielte regelmäßig gegen die besten Spieler Russlands wie Alapin und Schiffers und dominierte die meisten dieser Partien. 1880 war er klar der beste Spieler seines Landes.

Er hatte eine große Vorstellungskraft, großartige taktische Fähigkeiten und war der wahrscheinlich beste Gambit-Spieler der Welt. Seine enormen Fähigkeiten im Endspiel machten ihn zu einem schwer zu besiegenden Gegner und schließlich musste er die Top-Spieler anderer Ländern herausfordern, weil die Konkurrenz in Russland keine wirkliche Konkurrenz mehr war.

Hier sind einige seiner Turnierergebnisse:

  • Berlin 1881: Blackburne 14, Zukertort 11, Tschigorin und Winawer 10.5, etc.
  • London 1883: Zukertort 22, Steinitz 19, Blackburne 16.5, Tschigorin 16, etc.
  • Weltmeisterschaft in Havanna 1889: Steinitz gewann mit 10 zu 6.
  • New York 1889Tschigorin und Weiss teilten sich den 1. Platz mit 29 Punkten, Gunsberg 28.5, Blackburne 27, Burn 26, etc.
  • In Havanna gegen Gunsberg, 1890: 9 zu 9 bei 5 Remis.
  • Telegraph match gegen Steinitz, 1890/91: Tschigorin gewann beide Partien.
  • Weltmeisterschaft in Havanna 1992: Steinitz gewann mit 10 zu 8. (Die Gesamtbilanz von Steinitz gegen Tschigorin ist: 27 Siege für Steinitz, 24 Siege für Tschigorin und 8 Remis.) 
  • In St. Petersburg  gegen Tarrasch, 1893: 9 zu 9 bei 4 Remis.
  • Hastings 1895: Pillsbury 16.5, Tschigorin 16, Lasker 15.5, Tarrasch 14, Steinitz 13, Schiffers 12, Von Bardeleben und Teichmann 11.5, Schlechter 11, etc.
  • St. Petersburg 1895/1896. Erste Hälfte: Pillsbury 6.5, Lasker 5.5, Steinitz 4.5, Tschigorin 1.5. Zweite Hälfte: Lasker 6, Tschigorin 5.5, Steinitz 5, Pillsbury 1.5. Gesamt: Lasker 11.5, Steinitz 9.5, Pillsbury 8, Tschigorin 7. (Tschigorins Gesamtbilanz gegen Pillsbury ist: 8 Siege, 7 Niederlagen und 6 Remis.)
  • Budapest 1896Tschigorin gewann vor Charousek mit 8.5, Pillsbury mit 7.5, Schlechter and Janowski mit 7, etc.

Als Tschigorin älter wurde, waren seine Ergebnisse nicht mehr so imposant wie zuvor, aber einige tolle Turniere gelangen ihm auch noch im fortgeschrittenen Alter:

  • Moskau 1899Tschigorin 12, Schiffers 9.5, Levitsky 8.5, etc.
  • Moskau 1901Tschigorin 16.5, Schiffers 14, Janowski 13.5, etc.
  • Monte Carlo 1901: Janowski 10.5, Schlechter 9.5, Tschigorin und Scheve 9, Alapin 8.5, Mieses 7, Blackburne and Gunsberg 6.5, Marco 6, Marshall 5.5, etc.
  • Wiener Gambit Turnier 1903Tschigorin 13, Marshall 11.5, Marco 11, Pillsbury 10, etc.
  • Kiew 1903Tschigorin 15, Bernstein 14, Yurevich 13.5, Salwe 13, Rubinstein 11.5, etc.
Mikhail Chigorin
Michail Tschigorin via Wikipedia.

Auch als er nicht mehr das Kraftpaket früherer Tage war, dachte er noch Tag und Nacht an Schach. Obwohl er keine ersten Plätze mehr errungen hat, hat er noch viele Turniere gespielt und galt als Botschafter für russisches Schach. Er schrieb weiterhin Schachartikel, gab Simultanveranstaltungen, teils sogar mit verbundenen Augen und da er ein fantastischer Redner war, hielt er viele Vorträge.

Er schuf auch neue Eröffnungsvarianten. Mein Favorit ist die Tschigorin-Verteidigung im Damen-Gambit: 1.d4 d5 2.c4 Sc6.

Im Jahr 1905 entdeckte Chigorin, dass er zwei schwere Krankheiten hatte: eine Leberzirrhose und eine besonders schlimme Art von Diabetes.

Bevor ich zu den Partien komme, möchte ich noch ein großartiges Buch über Tschigorins Leben erwähnen: Michail Chigorin, The Creative Genius von Jimmy Adams.

Mikhail Chigorin, The Creative Genius

Adams hatte schon früher ein Buch über Tschigorin geschrieben und dieses 2016 neu überarbeitet. Es bietet tonnenweise neues Material und hat 750 (!) Seiten. Auf Amazon kann man es für den Spottpreis von $27.99 erwerben.

Als Erstes (vor den Puzzles) will ich Euch eine atemberaubende Partie zeigen. Keine Aufgaben. Einfach nur zum ansehen und geniessen:

PUZZLES

Steckt auch in Euch ein kleiner Tschigorin? Versucht einfach diese Puzzle zu lösen, dann wissen wir es!

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        Zurück aus dem Grab

Ich habe sehr viel von Tschigorin aus einem Artikel von 1958 erfahren. Er stammt von Olga M. Kusakova-Tschigorina. Seiner Tochter!

Er heißt: Mein Vater, Michhail Tschigorin, zu seinem 50. Todestag (1908-1958).

Ich muss zugeben, dass er mich umgeworfen hat. Der ganze Artikel ist lesenswert, aber ich werde nur ein paar Höhepunkte vorstellen. Zunächst ein bisschen Humor:

Mein Vater war sehr wählerisch in Bezug auf sein Essen und sein größtes Lob lautete: "Nicht schlecht, es ist essbar."

Und dann über Tschigorins letzte Momente:

Jetzt kommen wir zu den letzten Stunden seines Lebens: Am Abend des 12. Jänners wurde die Stille in der Wohnung von einem herzzereißenden Schrei durchdrungen. Wir eilten alle zum Zimmer meines Vaters. Meine Mutter versuchte meinen Vater zu beruhigen, während seine vor Entsetzen erstarrten Augen auf die offene Tür gerichtet waren, die zum dunklen Salon führte. Es scheint, als hätte er etwas geträumt und der Traum war mit der Tür verbunden. Als meine Mutter ihn mit Wasser versorgt hatte, versuchte ich ihn zu beruhigen und sagte: "Jetzt geht alles vorüber." Er aber antwortete verärgert: "Ja, alles vergeht, wenn ich sterbe" und winkte hilflos mit seiner Hand. Er schloss die Augen, seufzte dreimal und verstummte für immer.

Tschigorin war im Privatleben weit weniger erfolgreich, als auf dem Schachbrett. Obwohl er eine Familie hatte, war ein Einzelgänger. Er starb unter Menschen, die er nicht kannte, fast alleine - und vergessen von der Organisation, für die er so hart gearbeitet hatte.

Olga hat in ihrem Artikel noch viel mehr interessantes geschrieben. Der ganze Artikel ist in Jimmy Adams 'Buch abgedruckt.

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