Die Kraft der Fesselung
Eine Fesselung ist wohl das häufigste taktische Motiv im Schach. Mit fällt überhaupt keine Großmeisterpartie ein, bei der weder in der Partie noch in den möglichen Varianten eine Fesselung aufgetreten wäre. Gleichzeitig ist die Fesselung aber auch eine der einfachsten Taktiken und relativ leicht zu erlernen. Fesselungen sind relativ leicht zu erkennen und die Fortsetzung ist sehr oft die gleiche: "Pinning and Winning - Fesseln und Gewinnen" lautet das Motto. Hier ist ein typisches Beispiel dafür:
Eine überraschende Fesselung kann den Partieverlauf komplett verändern. Hier ist ein Beispiel aus einer Partie von Supergroßmeistern, die mich sehr beeindruckt hat, als ich gerade mit dem Schach angefangen hatte. Sie zeigt sehr gut die gewaltige Kraft einer Fesselung. Es sieht zwar so aus, als würde Weiß mit seinen Schwerfiguren auf der siebten Reihe vollständig dominieren, aber in Wirklichkeit gewinnt Schwarz. Wer kann herausfinden, warum?
Die eben gezeigten Beispiele sind sehr elementar: Man greift eine gefesselte Figur an und gewinnt sie. Manchmal ist es aber auch etwas komplizierter. Man fesselt eine Figur des Gegners und obwohl man nicht sofort gewinnen kann, lähmt die Fesselung den Gegner vollständig. Die folgende klassische Partie ist ein sehr gutes Beispiel dafür:
Jetzt zeige ich Euch eine Stellung, die Ihr in vielen Anfängerbüchern finden könnt. Ich glaube, sie wurde von Siegbert Tarrasch komponiert, um die vernichtende Kraft einer Fesselung aufzuzeigen. Hier ist sie:
Obwohl dieses Beispiel sehr lehrreich und die Kombination von Weiß wirklich toll ist, reicht sie aber leider nur für ein Remis. Könnt Ihr herausfinden, wie Schwarz relativ leicht überleben kann, wenn er die Kombination rechtzeitig erkennt?
Das kürzliche Chessable Masters endete mit einem Triumph für Ding Liren. Da der chinesische Großmeister ja die Nummer 2 der Welt ist, kann man das aber sicher nicht als Sensation bezeichnen und deshalb hat mich auch der junge Inder Praggnanandhaa R bei diesem Turnier am meisten beeindruckt. Hier ist ein Auszug aus einer seiner Partien, die mir am besten gefällt:
Praggnanandhaa opferte eine Leichtfigur, um eine permanente Fesselung zu erzeugen. Genau wie in der Lehrbuchstellung von Tarrasch, nur dass hier die Konsequenzen des Opfers nicht so offensichtlich sind.
Die meisten Fesselungen treten übrigens auf der d4-h8 Diagonale auf. Ich erinnere mich noch an eine Partie von mir, die mir geholfen hat, ein Turnier zu gewinnen und mir meine zweite GM-Norm zu verdienen:
Im Vergleich zu der Kombination von Pragg war meine Kombination natürlich nur ein Kinderspiel. Während ich sofort Material gewonnen habe, legte seine Fesselung nur die schwarzen Figuren lahm, aber es war immer noch viel Spiel in der Stellung. Erst eine weitere Fesselung hat die Partie dann wirklich entschieden:
Ich hoffe, dass Ihr nach dem Lesen dieses Artikels in Euren eigenen Partien nie wieder eine gewinnende Fesselung übersehen werdet!