Die Dümmsten Eröffnungsfehler
Ich würde wetten, dass einige von Euch hier einen Artikel über das "Narrenmatt" oder das "Schäfermatt" erwarten, und es stimmt, dass es kein schnelleres Schachmatt, als das "Narrenmatt" gibt:
Es gibt auch keine beliebtere Anfänger Eröffnung als das "Schäfermatt":
Aber seien wir mal ehrlich. Wann hast Du das letzte mal ein "Narrenmatt" in einem Turnier gesehen? OK, ok. Die Damenweltmeisterin hatte kürzlich fast diese Stellung auf dem Brett, aber das war irgendwie keine echte Partie und wir haben in diesem Artikel ausführlich darüber berichtet.
Um ehrlich zu sein habe ich noch nie das "Narrenmatt" in irgendeiner ernsthaften Partie gesehen! Nicht mal in Schulturnieren sind die Kinder ungeschickt genug um dieses zweizügige Matt zu bekommen.
Ganz anders ist es hingegen beim "Schäfermatt". Hier kenne ich keinen einzigen Schachspieler der noch nie auf diese weise Schachmatt gesetzt worden wäre. Und genauso hat es jeder schon mindestens einmal versucht, seinen Gegner mit dieser Eröffnung zu besiegen. Manche Spieler haben sogar schon Ihr Glück mit dem Schäfermatt gegen starke Großmeister versucht!
Nakamura experimentierte in jungen Jahren öfters mit 2.Dh5.
Also sprechen wir nicht über diese beiden Eröffnungen aus genau diesen beiden Gründen: Die eine passiert sowieso nie, und die andere ist zu bekannt, als dass man darüber diskuttieren müsste. Eigentlich sprechen wir hier über garkeine spezielle Eröffnung!
Wir sprechen einfach nur über einen der häufigsten Fehler, den Schachspieler machen: Sie spielen zu schnell in der Eröffnung! Und da es viele Gründe dafür gibt, beleuchten wir einen nach dem anderen:
1) Es ist doch nur die Eröffnung. Was kann denn schon passieren?
Viele Schachspieler, besonders Kinder, sehen in der Eröffnung die Vorbereitung für die Partie. Sie denken: "Ich entwickle meine Figuren, rochiere, und dann fangen wir an zu spielen". Doch obwohl in den ersten Zügen die meisten Figuren noch auf deren Startfeldern "schlafen", kann man eine Partie trotzdem in der Eröffnung verlieren.
Hier ist eine meiner Lieblingsfallen, die ich gerne in Simultanpartien spiele. Wenn ich sehe dass ein Spieler mit d4 eröffnet und dann Springer f3 zieht, weiß ich schon was wahrscheindlich los ist. Es ist kein großes Geheimnis, dass viele Spiele eine "faule" Eröffnung wie zum Beispiel das London System spielen. Ich nenne diese Eröffnung "faul", weil sie für Kinder leicht zu erlernen und für ihre Trainer leicht zu erklären ist. Du entwickelst deine Figuren auf die folgenden Felder, und ignorierst fast, was dein Gegner zieht:
Diese Eröffnung ist jetzt wirklich nicht schlecht: Weiß entwickelt seine Figuren schnell und besetzt das Zentrum. Aber wenn ein Spieler die Züge allzu mechanisch macht, können ihm schlimme Sachen passieren. Ich habe schon dutzende Partien in Simultanveranstaltungen auf diesem Weg gewonnen:
Vergiß deshalb nie, dass eine Partie mit dem allerersten Zug beginnt, und taktische Fallen schon sehr früh gestellt werden können!
Ein ähnlicher Fehler passierte in diesem berühmten Spiel:
Der sehr starke Spieler und Theoretiker Semion Alapin hat wohl den üblichen Zug 5.d4 erwartet und deshalb garnicht genau hingesehen und einfach den nächsten geplanten Zug gemacht. Er sah den Fehler erst, als sein Springer schon neben dem Brett stand.
Nicht der beste Zug in der Karriere von Semion Alapin. | Image Wikipedia.
2) Eine sehr gute Kentniss (s)einer Eröffnung
Ihr denkt jetzt sicher ich sei verrückt gewerden, wenn ich behaupt, dass eine gute Kenntniss einer Eröffnung ein Nachteil sein kann, und natürlich ist es das nicht, denn das Problem ist ein anderes. In vielen Fällen werden Eröffnungsexperten aber selbstgefällig. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit in der Eröffnung macht Sie anfällig für alle Arten von Problemen. Das folgende bekannte Spiel ist ein sehr gutes Beispiel:
Karpov's berühmtester Fehler!?
Wie konnte einer der besten Schachspieler der Geschichte nur so einen Fehler machen? Tja, Karpov war einer der führenden Experten dieser Eröffnung zu seiner Zeit. Sieh Dir einfach das folgende positionelle Meisterwerk, als Beispiel für seine Eröffnungskunst, an:
Wie ich bereits oben erwähnt habe, kann umfangreiches Wissen und Erfolg in der Eröffnung selbstgefällig machen und das kann zu törichten Fehlern führen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Karpov seinen Zug 11...Ld6 gegen GM Christiansen ganz automatisch und sehr schnell gespielt hat. Karpov gab nach diesem Zug dann auch sofort auf.
Vor kurzem erlebten wir eine ähnliche Katastrophe:
Zhu Chen und Ju Wenjun bei der letzten Damen Weltmeisterschaft | Foto David Llada.
Wie konnte die ehemalige Weltmeisterin nur prinzipiell in 9 Zügen verlieren? Ich glaube, der Grund dafür ist der selbe wie in Karpovs Partie. Die Eröffnung ist sehr bekannt und gut für weiß. Alles was weiß beachten muss ist das Damenschach auf h4 zu verhindern. Wir werden wohl nie erfahren ob Zhu Chen diesen alten Klassiker nachspielen wollte:
Vielleicht wurde sie aber auch von einer neueren Meisterpartie inspiriert:
Fakt ist aber: Zu schnelles Spiel in der Eröffnung hat weiß die Partie gekostet!
3) Reine Unfälle
Ein Unfall kann jedem Passieren, das ist wahr. Aber die Chance, dass jemand der mit 160 über eine Landstrasse rauscht einen Unfall hat, ist doch bedeutend höher, als jemand, der mit 50 km/h durch ein Dorf fährt. Und wenn Du deine Eröffnungszüge einfach nur blitzt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis Du einen Unfall wie diesen, den der berühmte sovjetische Trainer Vladimir Zak in seinem Buch "The Way Of Improvement" aufgezeigt hat, erleidest.
Schwarz hat sogar 4...Le7 in seiner Notation geschrieben, aber er vergaß völlig, dass dieser Zug noch nicht gespielt war, und war in seinen Gedanken schon beim nächsten Zug,
Ein ähnlicher Fehler, aber mit weniger dramatischen Konsequenzen, unterlief Alekhine:
Hier ist, was Alekhine in seiner Notation nach 4.Ld2 schrieb: "Ein schrecklicher Patzer. Ich wollte diesen Zug spielen nachdem ich den Bauern auf d5 geschlagen hatte, so wie gegen Nimzowitsch in San Remo 1930, aber irgendwie hab ich den Läufer zuerst gezogen." Hier haben wir ein Foto von Alekhine, das direkt nach diesem Fehler geschossen wurde.
Alexander Alekhine. | Foto Wikipedia.
Ich hoffe euch überzeugt zu haben, dass es eine gute Investition ist, wenn man 10 oder 15 Minuten über seine Eröffnungszüge nachdenkt. Das große Problem dabei ist, dass die meisten Schulturniere nur auf 25 oder 30 Minuten pro Partie begrenzt sind. Bei dieser Zeit hat man natürlich nicht den Luxus, viel Zeit mit der Eröffnung zu vertrödeln. Wie man dieses Problem lösen kann weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, aber ich empfehle all meinen Schülern deshalb, keine Schulturniere, sondern lieber richtige Turniere zu spielen.
Abschließend möchte ich Euch noch ermutigen, Eure lustigsten Eröffnungsfehler und sonstigen Pannen im Kommentarfeld zu veröffentlichen.