Bobby Fischer lehrt Schach
Ihr müsst zugeben, dass Euch der Titel dieses Artikels wahrscheinlich auf den Gedanken gebracht hat, dass ich über das berühmte Anfängerbuch von Bobby Fischer schreiben werde. Wenn das so ist, dann habe ich Euch aber gehörig aufs Glatteis geführt! Obwohl dieses Buch bei allem Respekt nicht schlecht ist, gibt es viel bessere Bücher für Menschen, die mit Schach beginnen.
Mein persönlicher Favorit wäre hier das Buch ABC des Schachspiels - Ein Lehrbuch für die Anfängerausbildung von Yuri Averbakh und Mikhail Beilin. Natürlich bin ich hier sehr voreingenommen, da es ein Lieblingsbuch meiner Kindheit war, aber soweit ich weiß, haben alle Top-Spieler meiner Generation (Boris Gelfand, Vasyl Ivanchuk, Alexander Khalifman, usw.) das Buch gelesen und es hat allen gefallen.
Kommen wir aber zu Fischer zurück. Wenn Ihr wirklich vom legendären Weltmeister Schach lernen möchtet, gibt es kein besseres Buch als Meine 60 denkwürdigen Partien.
In einem Artikel, den ich vor zwei Jahren geschrieben habe, habe ich am Beispiel des Buches Meine besten Partien von Anatoly Karpov erklärt, wie man von großartigen Spielern lernen kann. Ich empfehle Euch wirklich, diesen Artikel zumindest zu überfliegen bevor Ihr diesen Artikel weiterlest, damit Ihr eine Vorstellung davon bekommt, was Ihr machen solltet.
Das einzige, was ich in diesem Artikel heute ändern würde, ist der Satz "Die gute Nachricht ist, dass Euer Rating im Gegensatz zum Kurs des gerade genannten Bitcoins niemals auf Null fallen wird." Wie sich herausstellte, wäre ein anderes Mitglied der Krypto-Familie namens Luna ein besseres Beispiel gewesen, denn dessen Gesamtwert ist ja letzte Woche innerhalb von nur vier Tagen von rund 40 Milliarden US-Dollar auf im Wesentlichen null gefallen. Aber zurück zu Fischers Buch.
Die Partie Nummer 51 gegen Vasily Smyslov sieht auf den ersten Blick nach einer der langweiligsten Partien in diesem Buch aus. Die Spieler gerieten direkt aus der Eröffnung in ein Endspiel und nach langem Manövrieren wurde Smyslovs Stellung plötzlich hoffnungslos. Keine Königsjagd, keine Opfer und keine anderen Feuerwerke, die die meisten Schachspieler anziehen. Aber wenn Ihr die Partie gründlich studiert und Fischers aufschlussreiche Kommentare lest, wird es die bestmögliche Lektion über positionelles Schach, die Ihr erhalten könnt!
Obwohl die heutigen Spitzenspieler die meiste Zeit vor ihren Computern verbringen, könnt Ihr darauf wetten, dass sie Fischers Lektionen gelernt haben. Eine sehr aktuelle Partie, die letzte Woche beim Superbet Chess Classic gespielt wurde, ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Hier ist also ein Tag an der Bobby Fischer Schachakademie, an dem der Professor (Bobby Fischer) einen Vortrag hält und der Schüler (Wesley So) die Prüfung besteht.
Wesley Sos Note bei diesem Test: 1.
Und jetzt habe ich einen Test für Euch. Was würdet Ihr in dieser Stellung machen?
Smyslov hatte danach noch ein paar Gelegenheiten diesen Zug zu spielen, aber er nahm sie nicht wahr.
Wesley Sos Note bei diesem Test: 1+.
Wie Ihr sehen könnt, hat So den Zug b5-b4 gespielt und wie wir bereits wissen, erhielt Schwarz danach die Initiative und sein Turm schaffte es auf die zweite Reihe von Weiß. Vergleicht es jetzt mit der Stellung aus Fischers Partie, wenn Schwarz Fischers Empfehlung 19...b4 gefolgt wäre und einen Bauern geopfert hätte.
Es ist seltsam, dass So nicht einmal versucht hat, auf Gewinn zu spielen, obwohl es kein wirkliches Risiko gab. Ich denke, er war wohl damit zufrieden, dass er seine Stellung viel besser als Smyslov verteidigt hatte.
Wesley Sos Note bei diesem Test: 1-.
Jeder einzelne von Fischers Zügen in dieser Partie, gepaart mit seinen Erklärungen, ist eine ultimative Lektion im positionellen Schach. Könnt Ihr zum Beispiel erraten, was Fischer auf der folgenden Stellung gespielt hat?
"Aber was ist jetzt so besonders an diesem einfachen Zug?" werden viele unerfahrene Spieler fragen. Nun, solche Züge sind die Grundlage des positionellen Schachs. Sie schränken die Beweglichkeit der gegnerischen Figuren ein, bis sie vollständig passiv werden. Dann kann der Gegner nur noch sitzen bleiben und auf die unvermeidliche Niederlage warten und genau das ist auch in Fischers Partie passiert. Wesley So hätte in seiner Partie übrigens in seiner Partie einen sehr ähnlichen Zug spielen können:
Ich hoffe, Ihr habt aus Fischers Meisterwerk etwas gelernt. Aber die Hauptlektion dieser Partie sind nicht einmal die Züge. Wenn Ihr das nächste Mal eine positionelle Stellung ohne Angriffe und Opfer seht, dann tut sie nicht als "langweilig" ab. Denkt besser darüber nach: Wie konnte ein brillanter positioneller Spieler wie Smyslov eine Partie ohne Fehler, ohne Kombinationen und ohne direkte Angriffe verlieren? Dann habt Ihr ein Geheimnis, über das Ihr nachdenken könnt.
Und eines könnt Ihr mir glauben: Wenn Ihr ein solches"Geheimnis" gelüftet habt, wird es Euch zu einem besseren Schachspieler machen!