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Aus den Fehlern der Supergroßmeister lernen

Aus den Fehlern der Supergroßmeister lernen

Gserper
| 51 | Endspiele

Der FTX Crypto Cup war ein aufregendes Turnier, bei dem für jeder Schachspieler etwas geboten wurde. Für mich war der attraktivste Teil des Turniers die Fülle an Fehlern. Ja, Ihr habt schon richtig gelesen! Lasst mich meinen Punkt erläutern:

Mir ist schon vor langer Zeit aufgefallen, dass wir uns viel besser an große Fehler als an brillante Züge erinnern. Wenn ich zum Beispiel gegenüber meinen Schülern den Name Tigran Petrosian erwähne, höre ich häufig: "Ist das nicht der Typ, der seine Dame einzügig eingestellt hat?" Natürlich beziehen sie sich auf die folgende berüchtigte Partie:

Weltmeister Petrosian hatte natürlich Hunderte von großartigen Partien und Tausende von brillanten Zügen gespielt. Aber dennoch ist er für viele weniger erfahrene Spieler immer nur "der Typ, der seine Dame eingestellt hat". Warum ist das so? Nun, wann immer ein starker Großmeister oder besser noch ein Weltmeister einen großen Fehler macht, gibt das vielen Spielern mit niedrigeren Ratings Hoffnung.

Das ist ihre Begründung: "Ja, ich mache zwar in jeder einzelnen Partie Dutzende von Fehlern, aber wenn man bedenkt, dass ein Supergroßmeister ein Matt in 1 übersehen hat, ist das ja nicht so schlimm. Das bedeutet, dass ich immer noch eine Chance habe, eines Tages Großmeister oder sogar Weltmeister zu werden."

Tigran Petrosian
Sogar dem soliden Weltmeister Petrosian sind hin und wieder Fehler unterlaufen. Foto: Dutch National Archives, CC.

Die Fehler der Weltmeister geben uns Normalsterblichen also etwas Trost und Hoffnung. Und deshalb bleiben uns solche Fehler so lange in Erinnerung.

Genau hier sehe ich eine große Chance für das Schachtraining. Wenn sich die meisten Schachspieler so gut an die Fehler der Großmeister erinnern, warum baut man sie dann nicht einfach in das Schachtraining ein? Beginnen wir mit dem größten Fehler des Turniers, bei dem ein supertalentierter Spieler ein Schachmatt in 1 übersehen hat.

Es war natürlich nur eine Blitzpartie und das sind Fehler unvermeidlich, aber ich vermute, das war nur einer der Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass Weiß gewonnen hat. Sie ist der Partie von Petrosian oben ziemlich ähnlich und ziemlich typisch für viele Spieler: Wenn wir uns eine Gewinnstellung erspielt haben, verlieren wir leicht das Gefühl für Gefahr. Der Gedanke "die Partie ist doch eigentlich schon vorbei" ist nicht gerade das, was uns dabei hilft, uns besser zu konzentrieren. Infolgedessen kommen Fehler in absoluten Gewinnstellungen recht häufig vor.

Hier ist noch ein unglaublicher Fehler:

Wie konnte ein Supergroßmeister wie Alireza Firouzja in einer solch elementaren Stellung einen solchen Fehler machen? Falls Ihr übrigens der Meinung seid, dass die Stellung nicht wirklich elementar ist, dann seht Euch die folgende Partie an. Hier hielt ein Schachspieler, der 500 Elo-Punkte unter Firouzja liegt, locker ein Remis. Die Stellung ist so einfach, dass er leider keine Chance hatte, einen Fehler zu machen. Warum habe ich "Leider" gesagt? Nun, hier ist die Partie:

Warum also hat Firouzja in einem so einfachen Endspiel einen Fehler gemacht? Ja, er hatte nicht viel Zeit auf der Uhr, aber wenn man diese theoretische Stellung kennt, sollte man ohne große Mühe Remis halten – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Partie ein Inkrement hatte. Werfen wir einen Blick auf eine Partie, die nur drei Tage später gespielt wurde!

Wieder hatte Firouzja das gleiche Turmendspiel mit Rand- und Läuferbauern und wieder ist es ein theoretisches Remis. Die erste grundlegende Untersuchung zu diesem Endspiel wurde 1949 von Mikhail Botvinnik durchgeführt. Er empfahl, den schwarzen Turm auf a1 zu halten, wo er sowohl horizontal als auch vertikal Schachs geben kann.

Wenn man nur noch Sekunden auf der Uhr hat, ist sehr schwierig, ein Endspiel wie dieses zu halten. Wenn man allerdings die Schlüsselideen kennt, ist es durchaus möglich. Mir scheint, dass Firouzja diese spezifische Endspielstudie irgendwie vernachlässigt hat; daher das Ergebnis. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Schachspieler, den ich einen künftigen Weltmeister nenne, ein elementares Endspiel verpatzt. Ich denke, dies könnte ein wichtiger Bereich für seine Verbesserung sein. Wenn eine ehemalige Nummer zwei der Welt solch grundlegend Fehler macht, zeigt es nur, wie sehr wir alle von einem Endspieltraining profitieren können!

GM Alireza Firouzja
An dieses Endspiel wird sich Firouzja sicher noch lange erinnern. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Bleiben wir bei Spielern, die es schon bis auf Platz 2 der Weltrangliste geschafft haben. Levon Aronian hat in diesem Turnier einen Fehler gemacht, den ich von einem Großmeister überhaupt noch nie gesehen habe! Urteilt selbst:

Das ist einfach eine unglaubliche Fehlerkette. Zunächst bietet Weiß mit 67.Ld2 an, seinen h4-Bauern gegen den f4-Bauern von Schwarz zu tauschen. Es versteht sich von selbst, dass diese Bauern nicht den gleichen Wert haben. Während der Gewinn des weißen Bauern auf f4 absolut nichts bringt, da sein eigener Bauer auf f3 niemals zu einem Freibauern werden wird, wird der schwarze h5-Bauer sofort zu einem Freibauern, was die Partie schnell entscheiden sollte.

Levon Aronian
Levon Aronian unterliefen gleich zwei schreckliche Fehler hintereinander. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Zu meinem Erstaunen nahm Duda das Angebot aber nicht an und spielte 67...Kd7, was Weiß erlaubt hätte, seinen Fehler mit dem Zug 68.Le1 zu korrigieren. Stattdessen bestand Aronian auf den Tausch und das Ergebnis war, dass die Partie ziemlich schnell verloren war.

Meine einzige Erklärung für Dudas Zug 67...Kd7 ist, dass er vielleicht den Zug 67.Lf2 erwartet hatte und praktisch einen Pre-Move ausgeführt hat. Eine andere Erklärung für diesen "Doppelfehler" habe ich nicht. Auf jeden Fall ist es aber ein unglaubliches Beispiel dafür, wie zwei Supergroßmeister im ABC der Endspiele durchgefallen sind.

Das Ziel dieses Artikels ist es nicht, sich über Super-GMs lustig zu machen und ich glaube immer noch daran, dass Firouzja eines Tages Weltmeister werden wird. Wie ich oben erwähnte: Je größer ein Fehler ist, desto leichter können Schachspieler daraus lernen. Daher bin ich mir ziemlich sicher, dass Ihr in Endspielen von nun an nie wieder einem Gegner einen entfernten Freibauern schenken werdet.

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