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Was Schachvereine von den PogChamps lernen können

Was Schachvereine von den PogChamps lernen können

Merlin2017
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Immer mehr Streamer aus dem Gaming Bereich (also diese Menschen, die den ganzen Tag im Keller sitzen und Onlinespiele spielen - das live übertragen - und denen dann tausende Leute dabei zusehen) entdecken gerade ein Online Spiel, dass besser, durchdachter, spannender und unterhaltsamer als World of Warcraft, Forge of Empires, League of Legends und alle anderen ist und noch dazu mit der besten Grafikkarte aller Zeiten, dem menschlichen Gehirn, ausgestattet wurde: Schach!

Chess.com veranstaltet gerade ein Turnier für 16 dieser Streamer mit einem ziemlich üppigen Preisgeld. Alle Partien werden Live übertragen und bekannte Großmeister wie Nakamura, Vachier-Lagrave, Vidit Gujrathi und andere fungieren nicht nur als Experten in der Liveübertragung, sondern geben diesen Streamern sogar Unterricht (was diese dann natürlich auch wieder live auf ihren Twitch-Kanälen streamen...)
Macht dieses Turnier jetzt Sinn oder nicht? Und was können wir daraus lernen?



Zuerst mal zwei Fakten:

1. Die meisten Spieler spielen noch keine 2 Monate Schach und haben eine Elo Stärke um die 1000! Einige noch deutlich darunter! Sie sind allerdings absolute Profis im "labern" und im gestalten von unterhaltsamen Livestreams.

2. Die Partien und Übertragungen werden von zwischen 40.000 und 70.000 Zuschauern angesehen! Das liegt nur ganz knapp unter den "Einschaltsquoten" der letzten WM zwischen Carlsen und Caruana!



Jetzt haben hier zwei Menschen Ihre Meinung über das Turnier niedergeschrieben:



Wer zu faul ist, das alles selbst zu lesen, kann es sich auch von Nakamura vorlesen lassen und erfährt nebenbei auch gleich Hikarus Meinung über das Turnier:
Wer jetzt immer noch unschlüssig ist, kann auch noch auf YouTube die Kommentare unter dem Video lesen...


Ich persönlich bin voll auf der Seite von Davil Llada, dem Marketing Chef der Fide und möchte nur einige Sätze hervorheben:


We have been doing it all wrong, all the time, with very few exceptions.
 
-eher: very very very few....
 
You give 10k to the average chess organizer to improve his tournament, and he will spend it on hiring two more 2600 players – like if this is going to make a difference. You give him a million, and he will organize ten tournaments in exactly the same way, with 100k in prizes each.
 
oh je. ich glaube, der kennt mich.... :(


...but this initiative probably awakes a curiosity about chess in two or three million people, one million of them may become occasional players, and maybe around 250,000 will turn into hardcore fans – new chess consumers who will contribute towards the chess economy, by taking chess lessons, participating in open tournaments, and buying chess books.
 
Das hat mich zum Nachdenken gebracht! Warum ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, ein Politiker-Turnier (Bürgermeister, etc,) ein Fussballer Turnier, ein Pfarrer Turnier, ein Künstler Turnier oder sonstwas auszuprobieren? Und die örtlichen Schachvereine könnten die Spieler, von Gemeinderäten bis zum Kirchenchor, trainieren (bzw. ihnen die Regeln erklären) - genau wie bei den PogChamps.
 
Wenn man bedenkt, dass auf chess.com 90% aller Mitglieder (auch der zahlenden) ein Leben lang von der Zahl 1500 nur träumen, dann glaube ich, we have been doing it all wrong, all the time, with very few exceptions.


Entweder wir wollen Mitglieder finden, die gerne Schach spielen: Dann müssen wir die mit Spielstärken um die 1200 finden und sie einfach Spaß am Schach haben lassen (weil die 10% mit über 1500 Elo haben wir schon in unseren Vereinen) und (ganz wichtig!) denen auch was bieten! Also u1200 Turniere, eine seperate Clubmeisterschaft mit angepasster Bedenkzeit (30 oder 40 min), Hand and Brain Turniere (immer ein starker und ein schwacher Spieler bilden ein Team) oder was weiß ich.
 

Oder wir wollen Leistungssport betreiben: Dann aber bitte mit 3-4 mal Training pro Woche und 60-100 Turnierpartien im Jahr! Sonst ist es kein Leistungssport.
 

Nakamura hat leider Recht, wenn er sagt: Wenn mir ein Turnierveranstalter $10.000 gibt, damit ich bei einem Turnier mitspiele, dann hat er das Turnier doch nicht aufgewertet. Er kann sich nur an den Hut stecken, dass GM Nakamura bei seinem Turnier war.
Ich denke, es stimmt, dass ein Turnier, bei dem sich 20 neue Schachspieler eine DWZ erspielt haben und Mitglieder in einem Verein werden, ein größerer Erfolg ist, als wenn 2 Großmeister mitspielen.
 
Ist es echt die traurige Wahrheit, dass die Monika Häusers, die Marco Seidels und die Klaus Sommers die Zukunft des Schachs sind - und nicht Carlsen oder Firouzja? Was denkt Ihr?